Evangelische Kirche in Erdhausen

Stahl und Holz sind die prägenden Materialien im Innenraum der Kirche. Stahl und Holz sind auch die prägenden Materialien des Dorfes Erdhausen. Holzverarbeitung und dann besonders die Verhütung prägten den Ort. Die Bänke, Stühle, der Altar, das Taufbecken, der Ambo, das Lesepult und das Gesangbuchregal sind aus schwarzem Vierkantstahlrohr und Holz gefertigt und verweisen so auf die Geschichte des Ortes.
Die Kirche ist offen, licht und anmutig leicht in ihrer inneren Erscheinung. Manche sagen auch, sie sei kühl. Als sie am 31.Mai 1964 eingeweiht wurde, sollte sie die alte Kirche im Dorfkern ersetzen. Von ihr steht heute noch der massive Steinglockenturm als letzter Rest einer romanischen Chorturmkirche mit Emporen von 1684. Das Schiff wurde 1967 abgebrochen, sodass der Turm als einsamer Campanile heute im Dorfzentrum steht.

Die neue Kirche dient zugleich als Friedhofskapelle, da der Friedhof gleich östlich neben der Kirche angelegt ist. Bestattungen finden seither in der Regel in der Kirche statt.
Prägend für die Wahrnehmung der Kirche ist ihre asymmetrische nach Osten ausgerichtete
Deckenkonstruktion. Der First befindet sich im östlichen Drittel, während die westliche Dachseite zwei Drittel einnimmt. Damit könnte symbolisch ein Stilmittel traditionellen Kirchenbaus aufgenommen worden sein. Mittelalterliche Kirchen waren in der Regel "orientiert". Das heißt, sie waren geostet, also nach Osten mit Blick nach Jerusalem, dem Ort der Wiederkunft Christi, ausgerichtet. Die Blickrichtung der Kirche in Erdhausen ist aber Norden, die Dachkonstruktion wölbt sich dagegen Richtung Osten.

Der ursprüngliche Kirchenbau verzichtete komplett auf Symbole oder bildliche Darstellungen. Auch die Buntglasfenster an der Westseite verzichten auf Bilder und Symbole, so dass die Kirche einen fast reformierten Charakter besaß. Auch die weiß getünchten, bildlosen Wände unterstreichen diesen nüchternen Zugang zur Göttlichkeit, der der eher reformierten und weniger der lutherischen Tradition entspricht.

Dies änderte sich mit der Renovierung 2005, als drei symbolbeladene Gemälde an die Frontwand hinter den Altar zentral positioniert wurden. Das Kreuz wurde nach rechts unter den Dachfirst versetzt. Die drei Gemälde bilden nun den Mittelpunkt der Kirche und tragen, laut Auskunft der Künstlerin Renate Diehl, die Titel Glaube, Hoffnung und Liebe und sind auch in dieser Abfolge von links nach rechts so angebracht. Das dritte Bild mit den Abendmahlssymbolen hängt nun direkt hinter dem Altar. An der Ostseite des Kirchenschiffes sind Gemälde von Andreas Felger zu Passionsmotiven zu sehen.
Von der Firma Rincker in Sinn wurden im Februar 1964 drei Glocken mit den Tönen CIS, GIS und FIS geliefert. Die kleinste Glocke von 1730 hat wie durch ein Wunder den zweiten Weltkrieg überstanden, obwohl sie im März 1942 von den Behörden beschlagnahmt und zum Glockenfriedhof nach Hamburg zum Einschmelzen gebracht worden war. Sie trägt eine lateinische Inschrift, die sinngemäß wie folgt übersetzt werden kann: "Höre, ich rufe Lebende zur lebendigen Nachkommenschaft Gottes; die Verstorbenen so zu den Grabhügeln, oh, in trauriger Zeit."
Die Kirche trägt bis heute keinen Namen.
Matthias Ullrich